Psychophysik heute

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Die Psychophysik wurde von Gustav Theodor Fechner begründet. Er prägte den Begriff, entwickelte die wichtige Methoden, führte psychophysikalische Experimente durch und begründete eine Forschungsrichtung, die in der experimentellen Psychologie bis heute Bestand hat. Fechners Buch „Elemente der Psychophysik“ (1860) gilt auch als Beginn der experimentellen Psychologie angesehen werden.

Die Psychophysik beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Untersuchung der quantitativen Beziehungen zwischen psychologischen und physischen Ereignissen oder, genauer gesagt, zwischen Empfindungen und den Reizen, die sie hervorrufen. Die zentrale Frage der Psychophysik ist die Suche nach einer gesetzmäßigen, quantitativen Beziehung zwischen Reiz und Empfindung.

Die wissenschaftlichen Beiträge der Psychophysik, speziell im Anwendungsbereich, nehmen jedoch seit Jahren stetig ab. Eine Stagnation kann etwa seit 11 Jahren beobachtet werden (siehe Abbildung; Abfrage Pubmed Resultate Psychophysics; 1503 Beiträge seit 1975). Die publizierten Daten des Jahres 2021 erreichten gerade einmal das Vor-Niveau des Jahres 1992. Zwischen 2020-2021 wurden überhaupt nur 21 Arbeiten auf diesem Gebiet publiziert.

Warum ist das so?

Die Beiträge der Psychophysik waren in der Vergangenheit glanzvoll und aufsehenerregend. Hier sei etwa an die Entwicklung von Hör- oder Sehprotesen schon im 20 Jahrhundert erinnert. Wichtig war/ist ebenso die Steuerung Mensch-Maschine. Hier wurden viele Fragen der Wahrnehmung der Kraft einer Maschine an den Lenker gelöst. Wichtig war die Psychophysik in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts auch beim Übergang vom konventionellen zum digitalen Röntgen. Hinzu kamen effektive Anordnungen von Bedienelementen in hochkomplexen Steuerungen, Beleuchtungen etwa bei U-Booten etc.

So stellte Read (2015)[1] aber schon die Frage, ob die Psychophysik im 21. Jahrhundert, in welchem uns enorm leistungsfähige Techniken zur Verfügung stehen, welche es uns ermöglichen, die innerste Struktur und Funktion von Nervensystemen zu erforschen, noch relevant sei. Read ging damals davon aus, dass dies der Fall ist und dass die Psychophysik in Kombination mit anderen Techniken auch in absehbarer Zukunft ein wichtiger Bestandteil der Neurowissenschaften sein wird. Die weitere Abnahme der Forschungsbeiträge in der Psychophysik gab ihm bis dato nicht recht.

Erschwerend kommt sicherlich hinzu, dass die Psychophysik im Bereich der Lehre der Psychologieausbildung oft ein Appendix vergangener Zeiten ist und auch so behandelt wird. Die Psychophysik wird sich verändern müssen. Ihr Weg wird in den nächsten Jahren zu anderen wissenschaftlichen Fächern führen. Vor allem im Bereich der Neurowissenschaften wird sie sich mit der digitalen Konkurrenz messen müssen, um ihre Bedeutung nicht vollkommen zu verlieren.

[1] Neuroscience, Volume 296, 18 June 2015, Pages 116-129